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Das spricht für den Wasserstoffantrieb

Neue Zillertalbahn fährt mit grünem Wasserstoff aus der Region

Die weitreichenden Folgen des Klimawandels und die Umweltbelastung durch Schadstoffe lassen keinen Zweifel am notwendigen Ersatz von fossilen Import-Energieträgern durch sauberen Strom und grünen Wasserstoff. Die neue Zillertalbahn soll daher zukünftig mit grünem Wasserstoff angetrieben werden, der aus den regionalen Ressourcen Wasser und Strom gewonnen wird. Damit wird das Zillertal zum Vorreiter für innovative Mobilität und nachhaltige (im Sinne von ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogen) regionale Ressourcenbewirtschaftung.

Bedeutung der Zillertalbahn

Die Zillertalbahn ist eine österreichische Schmalspurbahn mit einer Spurweite von 760 mm. Die Bahn stellt das Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs im Zillertal dar. Die derzeit im Einsatz befindlichen dieselbetriebenen lokbespannten Züge sind vor rund 15 Jahren gebaut und in Betrieb genommen worden. Sie legen rund 600.000 km im Jahr zurück und verbrauchen dafür rund 900.000 Liter Diesel. Das entspricht durchschnittlich 1,49 ltr. Diesel pro km und einem CO2-Ausstoß von insgesamt rund 2,4 Mio. kg CO2 im Jahr.

Die Bahn dient einerseits dem Pendlerverkehr im Tal und andererseits den touristischen Bedürfnissen Tirols größter Tourismusregion mit mehr als 7,2 Mio. Nächtigungen pro Jahr (Stand 2017). Aufgrund der generellen starken Zunahme des Verkehrs im Zillertal und dem damit steigenden „Leidensdruck“ auf der Straße B169 kann die Bahn im Personenverkehr ein großes Wachstum (2012 bis 2018 Fahrgastzuwachs von +28,6 %) auf mittlerweile 2,83 Mio. Fahrgäste pro Jahr (2018) verzeichnen und ist somit nach Fahrgastzahlen die viertgrößte Regionalbahn in Österreich. Um diesen Anforderungen auch zukünftig gerecht zu werden, werden im Projekt „Zillertalbahn 2020+ energieautonom mit Wasserstoff“ sowohl Teile der Bahninfrastruktur als auch die Fahrzeugflotte erneuert.

Zillertalbahn
Variante Wasserstoffantrieb

Das Wasserstoff-Antriebskonzept wurde anhand umfangreicher Variantenrechnungen ermittelt und von unabhängigen Gutachtern und den zuständigen Behörden überprüft. Obwohl Wasserstoff ein altbekanntes Element ist, ist der kommerzielle Umgang mit der Elektrolyse- und der Brennstoffzellentechnologie – speziell im regionalwirtschaftlichen Zusammenhang – noch mit viel Pionierarbeit verbunden. Deshalb haben sich die Zillertaler Verkehrsbetriebe zur wissenschaftlich breiten Absicherung dieser Pioniertechnologien von Beginn an über die HyWest-Plattform (https://youtu.be/MG_ZaPTyqYM) im Green Energy Center Europe dem Forschungsförderungswettbewerb gestellt und mit den jeweiligen Konsortien den Zuschlag für richtungsweisende Forschungsprojekte erhalten.

Der für den Wasserstoff-Elektrotriebzug notwendige grüne Wasserstoff (H2) wird bei der Elektrolyse mittels sauberem Strom aus Wasser (H2O) abgespalten und gasförmig gespeichert. Der ebenfalls anfallende gasförmige Sauerstoff (O2) wird derzeit ungenutzt an die Umgebungsluft zurückgegeben (Stand der Technik). Nutzungskonzepte für diesen ebenfalls „grünen Sauerstoff“ werden daher im begleitenden Forschungsprojekt mit dem Titel „WIVA P&G HyWest: Green Hydrogen Economy“ erarbeitet.

Gleiches gilt für die ebenfalls anfallende Abwärme aus dem Elektrolyse- und Brennstoffzellen-Prozess. Diese kann zum Heizen von Gebäuden und der Züge verwendet werden. Darüberhinausgehende Nutzungsmöglichkeiten werden ebenfalls in den Forschungsförderungsprojekten „WIVA P&G HyTrain“ und „WIVA P&G HyWest“ untersucht.

Schnelleres Vorankommen

Das optimale Triebzug- und Antriebskonzept wurde mithilfe von Nutzwertanalysen aus verschiedenen Varianten ausgewählt. Der ausgewählte vierteilige Wasserstoff-Elektrotriebzug ist ein moderner, komfortabler Nahverkehrszug der neuesten Fahrzeuggeneration. Die Züge werden einen neuen Fahrplan Halbstundentakt von 5:30 bis 23:00 Uhr ermöglichen. Die Jahreskilometerleistung aller Züge ergibt sich dann zu 770.880 km. Darüber hinaus soll eine Fahrzeitverkürzung von derzeit 55 min auf 45 min für den Regelfahrplan ermöglicht werden. Um die Fahrzeitverkürzung zu realisieren, ist vor allem das hohe Beschleunigungsvermögen der neuen Züge von 1 m/s2 notwendig. Mit den neuen Fahrzeugen und Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur soll die Anzahl der Fahrgäste von derzeit rund 2,83 Mio. Personen auf prognostizierte 4,49 Mio. Fahrgäste im Jahr 2040 ansteigen.

AV-Diagramm
Optimierte Energieversorgung

Die Versorgung der Elektromotoren der Züge mit elektrischer Energie übernehmen sogenannte Brennstoffzellensysteme. Diese wandeln Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) der Umgebungsluft in elektrischen Strom, Wasserdampf (H2O) und Wärme. Der dafür notwendige Wasserstoff wird gasförmig in Wasserstoffdrucktanks mit einem Nominaldruck von 350 barü im Fahrzeugkasten der Zwischenwagen gespeichert. Diese fassen insgesamt 320 kgH2 pro Zug. Die somit gespeicherte Energie reicht aus, um den Zug bei einem maximalen Wasserstoffbedarf von 0,6 kgH2 pro km für einen Tag bis zur Betankung außerhalb der Betriebszeiten zu betreiben. Der durchschnittliche Wasserstoffbedarf wird jedoch ca. 0,38 kgH2 pro km betragen. Um die für das hohe Beschleunigungsvermögen notwendige Traktionsleistung der Elektromotoren von 1.400 kW zu ermöglichen, unterstützen Pufferbatterien die Brennstoffzellsysteme bei diesen Leistungsspitzen.

Da die Lastrichtung am Morgen aus dem Zillertal von Mayrhofen nach Jenbach führt, ist die Betankung der Fahrzeuge an einer Wasserstofftankstelle in Mayrhofen naheliegend. Für den Regelbetrieb von 4 Wasserstoff-Elektrotriebzügen auf der 32 km langen Strecke zwischen Jenbach und Mayrhofen werden Durchschnittlich 800 kgH2 pro Tag benötigt. Zur Deckung dieses Wasserstoffbedarfs, werden drei Elektrolysesysteme mit einer Leistungsfähigkeit von 3 x 200 Nm3 pro h (entspricht 3 x 16,8 kgH2 pro h) installiert. Eine vierte Elektrolyseeinheit kann bedarfsgerecht in einer weiteren Ausbaustufe errichtet werden. Durch mehrere Anlagen wird die notwendige hohe Gesamtverfügbarkeit gewährleistet, damit bei Ausfall einer Elektrolyseeinheit die Bahn weiterhin mit ausreichend Wasserstoff versorgt werden kann.

Eine wesentlicher Vorteil dieser sogenannten „Power-to-Gas“ Technologie ist die Entkoppelung von Stromangebot und Strombedarf über die chemische Speicherung der elektrischen Energie als Wasserstoff-Gas. Diese Speicherfähigkeit des Wasserstoffs ermöglicht den für die Elektrolyse notwendigen grünen Strom bei Überschuss und in Schwachlastzeiten zu günstigen Konditionen zu beziehen.

Für die Speicherung des ganztägig gewonnen gasförmigen grünen Wasserstoffs wird dieser auf einen Nenndruck von 500 barü komprimiert und auf der Wasserstoff-Tankstelle (HRS – Hydrogen Fueling Station) in Drucktanks gespeichert. Dieser Druck erlaubt anschließend die tägliche schnelle Betankung der Zugtanks auf 350 barü.

H2-Bedarf
Wasserstoff-Infrastruktur
Kosten sparen

Im Vorprojektstadium wurde die Variante Fahrleitung mit Hybrid-Elektrotriebzug der Variante Wasserstoff mit wasserstoffelektrischem Triebzug für den fahrleitungsfreien Betrieb auf der gesamten Strecke gegenübergestellt. Den Mehrkosten bei den Fahrzeugen für den neuen Wasserstoffantriebsstrang und der zusätzlich notwendigen Wasserstoffinfrastruktur stehen Einsparungen bei der nicht benötigten teuren Fahrleitungsinfrastruktur gegenüber. Auch die Gesamtkosten der Energiebereitstellung sind in etwa auf gleichem Niveau. Bei der Variante Fahrleitung muss der elektrische Strom bei Bedarf („Power on Demand“) teurer eingekauft werden. Bei der Variante Wasserstoff können die Mehrkosten zufolge des Mehrbedarfs an elektrischer Energie hingegen zu variablen Zeiten über den dann günstigeren Strompreis ausgeglichen werden. Da dieser Mehrbedarf an elektrischer Energie vor allem als Abwärme anfällt, erforscht die Zillertalbahn mit einem österreichischen Konsortium bestehend aus FEN Sustain Systems GmbH, der HyCentA Research GmbH in Graz, der Molinari Rail Austria GmbH in Jenbach und der WIVA P&G im Projekt „WIVA P&G HyTrain“ die Nutzung dieser Energie, um alle Energieströme optimal zu Nutzen und die Kosten weiter zu optimieren.

Hervorzuheben ist, dass die Energiekosten beider Varianten jeweils deutlich günstiger als der aktuelle Dieselbetrieb sind.

Sichere Lösung

Die Sicherheit im Betrieb hat oberstes Gebot. Daher sind die Wasserstofftanks der Züge abgeschottet außerhalb des Passagierbereichs angebracht. Im Notfall (z.B. Brandereignis) wird deren Wasserstoff kontrolliert abgeblasen. Das leichte und für Mensch und Natur ungiftige Wasserstoff-Gas verflüchtigt sich dabei rasch nach oben. Damit wird die Bildung eines explosiven Wasserstoff-Sauersoff-Gemisches im Freien ausgeschlossen. Für alle wasserstoffführenden Bauteile gelten weiters strenge europäische Sicherheitsvorschriften. Notwendige Notfallplänen und -procederes werden verpflichtend umgesetzt. Für die mehr als 60 Eisenbahn-Kreuzungen entfällt zudem das Risiko Oberleitung. Landwirtschaftliche Arbeiten und (Schwer-) Transporte können unbehindert und ohne zusätzliche Gefahr durchgeführt werden.

Nachhaltigkeit für die Region

Der innovative Wasserstoffantrieb für die neue Zillertalbahn ist unter den speziellen Gegebenheiten die effizienteste und wirtschaftlich günstigste Lösung von allen untersuchten Transaktionsformen. Mit der für das neue Zusgsystem zu schaffenden Wasserstoffinfrastruktur werden richtungsweisende Voraussetzungen für die nachhaltige – ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogene – Entwicklung der Tourismusregion geschaffen. Im nächsten Schritt kann die Umstellung von Bussen, Pistenraupen sowie schwerer Personen- und Lastautos, die schnell betankt und weite Strecken zurücklegen müssen, erfolgen. Die entsprechenden Grundlagenforschungen sind jedenfalls mit Beteiligung der Zillertaler Verkehrsbetriebe AG über die HyWest-Plattform im Green Energy Center Europe bereits angelaufen.